Schon Axel Olrik hatte auf diese volkskundlich wichtige Stelle in Þóralfr Þáttr hingewiesen, einer altnordischen Quelle, die ihrer vermeintlich späten Entstehungszeit wegen allerdings nur wenig Wertschätzung in der akademischen Forschung genießt. Daß die dort unter dem Namen Þóralfr auftretende Figur eine rein christlich gefärbte Travestie angeblich heidnischen Priestertums ist, steht ihrer offensichtlichen Lächerlichkeit wegen zwar außer Zweifel, aber dennoch stellt sich im Licht neuer Erkenntnisse die Frage, ob das dort beschriebene "hásaleggia" nicht ein völlig unterbewerteter Beleg für eine authentische, altgermanische Heilmagie ist.
Dafür spricht vor allem, daß Carl von Linné in seinem Expeditionsbericht in die saamischen Gegenden (Lappländische Reise, 1747) ein Heilritual der Saami schildert, das ganz offensichtliche Ähnlichkeiten zu dem "hásaleggia" des Þóralfr aufweist: Ein männliches Mitglied des Haushaltes hat auf die Jagd nach einem Schneehasen zu gehen, muß diesen aber lebend fangen und unversehrt nach Hause bringen, wo das Tier äußerst ehrfürchtig und zärtlich behandelt wird. Dieser lebende Hase wird sodann dem Kranken an der Stelle aufgelegt, die ihm Schmerzen bereitet, und während dieser rituellen Handlung intonieren die versammelten Verwandten dreimal den lauten Ruf "Farinelli". Danach wird das Tier unversehrt wieder in die Freiheit entlassen.
Bereits Emile von der Tirpa hat glaubhaft gemacht, dass die Anrufung "Farinelli" nichts anderes als ein von dem Schweden Linné nicht mehr verstandenes altnordisches "Fár in hel(i)" ist, also die Aufforderung an den Hasen, in die Jenseitswelt zu reisen, um die Krankheit des Patienten dort zu "deponieren" und ihn so davon zu befreien.
Die Methode, Krankheiten aus dem Menschen herauszuziehen, sie auf einen Gegenstand oder ein Tier zu übertragen, ist nicht nur bei den Germanen (so z.B. bei dem "Wurmsegen"), sondern auch weltweit in schamanischen und anderen Heilungsritualen belegt und führt uns tief in indoeuropäische Zusammenhänge, hier vor allem in die erstmals aus hethitischen Quellen belegten Riten des "Sündenbocks", der auch in den Kontext des Alten Testaments übernommen wurde. Die aber - und ihre Ursprünge in einem magischen Weltbild - sind so offensichtlich, dass es ihrer Erörterung hier nicht wirklich bedarf.
Viel bemerkenswerter ist, daß im Zuge zunehmenden Quellenstudiums heidnische HeilpraktikerInnen seit neuestem gezielt mit dieser Methode experimentiert haben. Auslöser dafür war die Überlegung, dass man damit nichts falsch machen konnte, da jegliche riskante Nebenwirkungen ausgeschlossen schienen und das "Hasenauflegen" im schlimmsten Fall wirkungslos bleiben würde. Die Auswertungsergebnisse der Studie liegen nun vor, und sie sind erstaunlich: In 70 Prozent der Fälle erfolgte nachweislich eine vollständige Genesung des Patienten. Dabei hatte man sich zudem noch die Freiheit genommen, nicht auf den skandinavischen Schneehasen, sondern auf hierzulande handelsübliche Zwergkaninchen zurückgegriffen zu haben. Verblüffend bei all dem ist die Erkenntnis, daß die Methode nicht nur bei einfachen muskulären Verspannungsleiden, sondern auch bei rheumatischen und sogar organischen Beschwerden meßbare Wirkung zeigte. Die Möglichkeit eines Placebo-Effekts wurde dadurch minimiert, dass parallel dazu eine Kontrollgruppe von Patienten mit identischen Beschwerden durch "Dackelauflegen" behandelt wurde, was seltsamerweise konträre Wirkungen zeigte: Ausnahmslos sabberten die so Behandelten danach durch unkontrollierten Speichelfluss die Befragungsbögen voll und brachten ihre Erfahrungswerte in einem für das Kontrollpersonal kaum noch verständlichen kläffenden Sprachduktus vor. Dadurch aufs höchste alarmiert bestand die Klinikleitung auf sofortiger Auflösung der Dackelgruppe, deren Teilnehmer danach unverzüglich in effektive Therapien eingegliedert wurden. Die Hasengruppe dagegen blieb von solchen Rückschlägen gänzlich verschont. Abgesehen von den meßbaren Heilungserfolgen berichteten alle Teilnehmer zudem von einem diffusen Empfinden "gesteigerter Harmonie und hasigem Weltverständnis" - ein Phänomen, das man momentan durch genaue Befragung noch näher zu ergründen versucht, da vor allem der Begriff "hasiges Weltverständnis" noch philosophischer Untermauerung bedarf.
Diskutiert wird momentan vor allem noch, wie notwendig der dreifache Ausruf "Farinelli" bei der Behandlung ist, und ob dessen Unterlassung möglicherweise für die 30 Prozent der Nichtgeheilten verantwortlich ist. Diese Frage soll in einer erneuten Reihenuntersuchung evaluiert werden, fällt aber möglicherweise zu sehr in den magisch-religiösen Komplex, um empirisch verwertbare Ergebnisse zu liefern.
Insgesamt ist das aber schon jetzt eine gute Nachricht für Kaninchenhalter. Denn sie besitzen damit möglicherweise eine Art Rundum-Allheilmittel für verschiedenste gesundheitliche Beschwerden, ohne das bisher geahnt zu haben. Man lege sich das handliche Tierchen bei entsprechenden Beschwerden einfach auf, und die Chancen für einen Heilungserfolg scheinen nicht schlecht zu stehen. Die Mechanismen dabei sind nach wie vor völlig unklar und entziehen sich jedem bisherigen Erklärungsversuch. Die vorläufigen Ergebnisse aber sprechen für sich ("wer heilt, hat Recht") und könnten eine weitere Erklärung für die alte Erkenntnis liefern, daß der Hase in der germanischen Welt ein eher geheimnisvolles "Tabu-Tier" gewesen zu sein scheint.
Samstag, April 01, 2006
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